Die Hochzeit - Entwurf von 2013 (VOR der göttlichen Recherche)

(Dies ist Auszug aus meinem Werk Rosenduft & Orchideen, welchen ich nach intensiver Recherche stark ändern musste - siehe vorhergehende Blogartikel. Der Text den Sie gleich zu lesen bekommen werden, existiert also in dieser Forn im Buch nicht mehr.)

 

 

Die Hochzeitskutsche stand auf dem Hof bereit, geschmückt mit blutroten und schneeweißen Rosen. Das gesamte Hauspersonal befand sich vor dem Haus, als die junge Dame in den strahlenden Sonnenschein hinaustrat. Die Herrin folgte ihr, sie trug ein königsblaues Seidenkleid mit silberner Röschenverzierung, dazu einen riesigen weißen Hut, der von einem silbernen Schal an ihrem Kopf gehalten wurde. Alvine begutachtete die Hochzeitskutsche, nickte zufrieden und wandte sich dann in Richtung Stall.
Alle waren zu schockiert, um sie aufzuhalten. Der jüngere Stallbursche hatte ihr wie heimlich vereinbart ihr Pferd bereitgemacht und sie zwinkerte ihm zu, als sie sich gekonnt auf ihrem Damensattel niederließ. Strumpf scharte ungeduldig mit den Hufen, sie wendete ihn und versicherte sich einmal mehr, als sie ihre Mutter passierte: »Papa wartet dort schon auf mich, nicht wahr?«
»Kind, zu Pferd? Muss das denn sein?«
»Die Kutsche will ich erst mit meinem Mann besteigen, also folgt mir einfach!«
Sie schnalzte mit der Zunge und Strumpf galoppierte fröhlich davon. Die Hochzeitsgemeinde setzte sich daraufhin hektisch in Bewegung.


Mit dort hatte Alvine den Dom gemeint. Hoheitsvoll ritt sie unter den Linden entlang, ignorierte den garstigen Verkehr, der sich auch nicht von ihrem Anblick beruhigen ließ. Einzig die Fußgänger standen still, als sie eine Braut mitten auf der Straße entlangreiten sahen, und verfolgten sie mit aufgerissenen Augen.
Alfred sah seine Tochter von weitem kommen. Eduard und Karl standen mit ihm vor dem Dom Spalier und mussten sich einen Lachanfall verkneifen.
»Die Wilde! Warum war das klar?«
Der Brautvater half ihr galant vom Sattel und flüsterte: »Kind, zu Pferd? Musste das denn sein?«
Alvine lächelte nur beschwichtigend und hakte sich bei ihrem Vater unter.
»Du siehst wundervoll aus!«, grinste Karl, der ihr zärtlich den Schleier vor das Gesicht zog. Eduard bekam vor Faszination keinen Ton heraus.


Sie warteten wenige Minuten, da war auch die restliche Hochzeitsgemeinte eingetroffen, die Familie des Bräutigams und alle weiteren Gäste erwarteten sie bereits im Dom.
Elisabeth Effern trug ein hellrosa Seidenkleid, das ihre aufregenden Kurven betonte. Blumenmädchen liefen vor ihr den Gang entlang, dann schritt sie als Brautjungfer ein und lächelte selig. Ihr Verlobter saß in der achten Reihe und ihre verzückten Blicke trafen sich.
»Letzte Gelegenheit!«, knurrte Alfred plötzlich, »Wenn du ihn doch nicht willst!«
»Papa, ich bitte dich!«
»Ich sag ja nur. Was Gott eint, kann nicht mehr geschieden werden.«
»Erstens unterstützt Gott meine Entscheidung und zweitens redest du Unsinn! Eines Tages wird es auch völlig legitim sein, dass kirchliche Ehen geschieden werden. Des Weiteren liebe ich meinen Mann!«
»Gewiss doch Kind, wenn du das sagst«, brummte er nur, dann setzten sie sich in Bewegung.
Die Gemeinde erhob sich vor der Braut. Nur künstlich ließ Alvine die Augen über sie schweifen, denn all ihre Neugier gebührte ihrem Bräutigam, den sie endlich erblickte.
Theodor stand am Altar, trug einen pechschwarzen Anzug, sein weiches Haar fiel wie immer keck ins Gesicht, als er den Kopf wandte und zu ihr rübersah.


Ihre Blicke trafen sich und je näher Alfred sie an ihn heranführte, desto aufgeregter klopfte ihr Herz. Der Brautvater zwang sich ein Lächeln ab, als er seine Tochter übergab und sich zurückzog. Keine Sekunde hatte sich das junge Paar aus den Augen gelassen. Theodor nahm ihre Hände, beide atmeten tief durch und sahen dann den Pfarrer an, der nickte und den Trauspruch begann. Er redete von Liebe, von Treue, Barmherzigkeit, Ehrfürchtigkeit und der Heiligkeit der Ehe. Davon, dass Gott zusammenführt, was zusammengehört und jedwede Verbindung reiche Früchte zu tragen hat. Und das nichts das Band trennen kann, wenn es einmal geschlossen worden war. Einzig der Tod bedürfe es, zu scheiden.

 


Theodor hielt immer noch ihre Hände und strich geistesabwesend mit dem Daumen über ihren Handrücken, während sie alles um sich herum nur mit einem halben Ohr wahrnahmen. Alvine musste nicht aufsehen, um zu wissen, dass sie genau unter Deckenskulpturen zweier Engel standen, die ihre Heirat segneten. Die Sonne fiel durch die buntbemalten Fenster über ihren Köpfen und Glaube, Liebe und Hoffnung schienen auf sie herab.
»Ich erkläre euch hiermit zu Mann und Frau!«
Theodor seufzte, als er daraufhin noch breiter lächelte, und hob endlich vorsichtig den Schleier. Ehe der Pfarrer die Erlaubnis ausgesprochen hatte, schnappte Alvine sich Theos Gesicht und zog ihn zärtlich zu sich runter. Ihre Lippen trafen sich zum Hochzeitskuss, der Saal atmete aus und als Nächstes erhoben sich alle und jubelten.


Die jüdischen Gäste hatten sich von dem Dom positioniert, um das Paar traditionell mit fruchtbarkeitsbringenden Walnüssen zu bewerfen. Von jeher war der Bräutigam das beliebte Ziel. Er ließ es selig lächelnd über sich ergehen, hatte ohnehin nur Augen für seine schallend lachende Braut, die ihm immer wieder tröstende Wangenküsse schenkte. In der offenen Kutsche fuhren sie durch die Stadt, gefolgt von der Kolonne an Hochzeitsgästen, ihr Weg gesäumt von Schaulistigen. Alvines Gönnerin hatte es nicht übers Herz gebracht, die Einladung anzunehmen, aber sie stand am Straßenrand, bei ihrer Partnerin untergehakt, bereit um ihrem Schützling zuzuwinken. Als ihre Blicke sich trafen, formte die Dame ein langsames alles Gute mit den Lippen und es kam aus ihrem tiefsten Herzen.